
Ein einfacher Satz Räder fürs Rennrad wiegt zwei Kilo. Es geht natürlich auch leichter, ist nur eine Frage des Geldes. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Gewichtsfetischisten und Bike-Hipster auf Rädern von Light-Wolf rollen.
■ Text: André Hennig | Fotos: Stephan Böhlig
»Wenn man durchs Ventilloch schaut, muss man das Nabenlogo sehen.« Laufradbau ist nicht nur Präzisionsarbeit, sondern auch eine ästhetische Übung. Für velozipedische Laien: Wenn hier von Laufrädern die Rede ist, geht es nicht um die kleinen Dinger, auf denen der Nachwuchs um die Ecken flitzt, sondern um die Räder von Mountainbikes und Straßenrennern. Also Vorderrad und Hinterrad. Ein Laufrad besteht aus einer Felge, einer Nabe und einer zweistelligen Anzahl von Speichen. Ein einfacher Satz fürs Rennrad kostet im OnlineHandel etwas über 100 Euro und wiegt ohne Reifen rund zwei Kilo. Wer das Fünffache ausgibt, spart 500 Gramm.
Felix Wolf schaut also mit seinen wachen blauen Augen durchs Ventilloch aufs Nabenlogo. Technisch gesehen ist der Blick aufs Logo ohne jede Bedeutung. Das Laufrad stammt aus seiner Werkstatt, die Montage ist 100 Prozent Handarbeit. Wer sich von Wolf einen Laufradsatz bauen lässt, spart noch mal 200 bis 400 Gramm, mindestens. Für Gewichtsfetischisten ein Traum. Für eine urbane Elite, die für sich das Fahrrad als Statussymbol entdeckt hat, ein Distinktionsgewinn.
Seit neun Jahren baut Wolf, Jahrgang 1984 professionell Laufräder unter dem Label LightWolf. »Wie die Jungfrau zum Kinde« sei er dazu gekommen, erzählt er – und habe zur richtigen Zeit die richtige Nische besetzt. Angefangen hatte alles mit einem Schülerpraktikum in einem Radladen, wo er seine Leidenschaft für Fahrräder entdeckte. Hier arbeitete er später weiter als Aushilfe und half sich dabei eine kräftige Portion Basiswissen über. Später schraubte er in seinem WGZimmer die ersten Laufräder zusammen. Warum nur die Räder? Das kann er selbst nicht so genau erklären.
Das Studium – natürlich Maschinenbau – sollte zum praktischen das theoretische Wissen hinzuaddieren. Abgeschlossen hat Wolf es nie, am Ende waren noch ziemlich viele Scheine o en und er musste sich entscheiden: Business oder Bildung. Die Entscheidung viel zugunsten des Geschäfts: »Der Erfolg hat das Studium gefressen«, meint Wolf lächelnd und scheint es nicht zu bedauern. Es gibt schlimmere Schicksalsschläge.
In der kleinen Werkstatt im Industriegelände sitzt Sebastian Ott, Wolfs dritte und vierte Hand, auf einem Bürostuhl und fädelt Speichen durch die Löcher einer Vorderradnabe, legt sie über kreuz, zieht sie durch die Löcher in der Felge und steckt dann von der anderen Seite die Speichennippel durch. Das Ganze dauert etwa fünf Minuten. Jeden Laien, der jemals versucht hat, ein Rad selbst einzuspeichen, dürfte hier das erste Mal die Ehrfurcht packen. Als nächstes setzt Ott das Rad in den Zentrierständer ein und zieht Nippel für Nippel mit einem kleinen Akkuschrauber maßvoll an, einmal die Runde rum. Nun beginnt die eigentliche Feinarbeit. Runde für Runde werden die Speichen mit dem Nippelspanner ein wenig fester gezogen, die Spannung mit dem Tensiometer nachgemessen. Zwischendurch drückt Ott immer mal ab: Er nimmt das Rad aus dem Ständer, setzt die Nabe senkrecht auf ein Brett mit einer Vertiefung, damit sie nicht wegrutscht, und drückt die Felge mehrfach in Richtung Boden. Dann das Rad rumdrehen, die andere Seite der Nabe aufs Brett und wieder drücken. Das Abdrücken ist so etwas wie eine Schlüsselhandlung beim manuellen Laufradbau, es sorgt dafür, dass sich Speichen und Nippel in der Nabe und der Felge korrekt setzen und nimmt die Torsionsspannung aus den Speichen, die beim Andrehen entsteht. In der Industrie gibt es dafür Maschinen, aber auch eher selten. Ein günstiges Laufrad von der Stange wird überhaupt nicht abgedrückt, meint Wolf.
Nach dem Abdrücken wandert das Rad …
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